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Verfahrensrecht: Das Mysterium der mündlichen Verkündung von Erkenntnissen

Posted by Redaktion - 28. Dezember 2015

fachgruppe verfahrensrechtDie Praxis der Verhandlungsführung bei den Verwaltungsgerichten ist ziemlich einheitlich.

In jenen Verfahren, in denen keine Beweisaufnahme erforderlich ist, wird im Rahmen des „Rechtsgesprächs“ das Beschwerdevorbringen erörtert und werden die gegenseitigen Standpunkte ausgetauscht. Im Anschluss erfolgt dann die mündliche Verkündung der Entscheidung.


Oder es erfolgt nach der Erörterung des Vorbringens die Beweisaufnahme, eine Erörterung der Beweisergebnisse und dann die Verkündung der Entscheidung. Ausgenommen Vertagungen zur Verfahrensergänzung oder bei komplexen Verfahren erfolgt die mündliche Verkündung in der Regel sofort am Schluss der mündlichen Verhandlung (außer die Parteien verzichten darauf). Die Entscheidungsgründe sind den Parteien daher entweder bereits aus Erörterung bekannt oder werden bei der Verkündung mündlich mitgeteilt. Das wird im Regelfall auch genauso protokolliert.

Vor Einführung der Verwaltungsgerichte war es nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zulässig, bereits gegen mündliche verkündete Bescheide der Unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde zu erheben, ein Zuwarten auf die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung war nicht erforderlich. Für die Wahrung der Entscheidungsfristen genügte daher im Regelfall, dass der UVS seine Entscheidung mündlich verkündet hatte.

Das soll auch so bleiben, wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15.12.2014, Ro 2014/04/0068, klargestellt hat. Das heißt, auch gegen eine zunächst nur mündlich verkündete Entscheidung ist eine Revision zulässig ist. Die Bestimmung des § 29 VwGVG ist nach Auffassung des VwGH analog zum früheren § 67g AVG zu verstehen.

Aber Verkündung ist nicht gleich Verkündung: Denn einerseits hat nach der Rechtsprechung des VwGH das Fehlen der Wiedergabe der Begründung im Protokoll auf die Rechtsgültigkeit der (wenn auch inhaltlich fehlerhaften) Erlassung der Entscheidung durch mündliche Verkündung keinen Einfluss (VwGH vom 15.12.2014, Ro 2014/04/0068), andererseits genügt aber eine grobe Zusammenfassung der Entscheidungsgründe im Protokoll nicht, weil die lückenhafte Darstellung der Entscheidungsgründe eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung verhindert.

Ob die mündliche Verkündung einer Entscheidung durch das Verwaltungsgericht auch eine rechtskräftige Beendigung des Verfahrens darstellt (und somit die gesetzlichen Fristen gewahrt sind), erschließt sich bei dieser Rechtslage allen Verfahrensbeteiligte erst durch die nachfolgende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa im Falle eines Fristsetzungsverfahrens.

Will ein Richter/eine Richterin allen den vom Verwaltungsgerichtshof an die verkündete Entscheidung gestellte Anforderung genügen, müsste er/sie entweder mit einer bereits vorgefertigten Entscheidung in die Verhandlung gehen oder die Verhandlung zur Ausarbeitung der Verkündung unterbrechen und Parteien und deren Vertreter darauf warten lassen oder – wenn die Zeit dafür nicht zur Verfügung steht (z.B. wegen nachfolgender Verhandlung) – zur Verkündung vertagen.

Eine Antwort to “Verfahrensrecht: Das Mysterium der mündlichen Verkündung von Erkenntnissen”

  1. (Santa) Klaus said

    Will ein Richter/eine Richterin allen den vom Verwaltungsgerichtshof an die verkündete Entscheidung gestellte Anforderung genügen, müsste er/sie entweder mit einer bereits vorgefertigten Entscheidung in die Verhandlung gehen….

    Definitiv: nein, weil dann eine Befangenheit nicht mehr geleugnet werden kann.

    Sieht man sich die Rechtsprechung des VwGH an, so wird klar, dass das auch nicht gemeint ist:

    Klicke, um auf JWT_2015030007_20151013F00.pdf zuzugreifen

    Es geht dem VwGH letztlich nur um die Überprüfbarkeit der Entscheidungen, sodass – sowohl für die Parteien des Verfahrens als auch für die übergeordeten Gerichte – klar hervorkommt, warum das Verwaltungsgericht so entschieden hat, wie es entschieden hat.
    Dem kann – worauf der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach in seiner Judikatur abgestellt hat – (nach bloß kursorischer Begründung im Protokoll, wobei dort schon aus praktischen Gründen keine allumfassende Begründung aufgenommen kann) auch dadurch nachgekommen werden, dass die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidung (auf die ein Rechtsanspruch besteht: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vwgh/JWT_2012020089_20130524X00/JWT_2012020089_20130524X00.pdf) zeitnah erfolgt. Dann wurde auch nie vom VwGH wegen eines im Protokoll zur mündlichen Verkündung vorhandenen Begründungsmangels aufgehoben (sh etwa: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vwgh/JWT_2015210011_20150630J00/JWT_2015210011_20150630J00.pdf – dort wurde zwar zum Teil aufgehoben, aber aus anderem Grund, zum Teil wurde die Revision aber auch zurückgewiiesen). Sieht man sich jene Entscheidungen des VwGH (auch schon zu den UVS) an, in denen bloß mündlich verkündete Entscheidungen aufgehoben wurden, wird klar, dass es sich dabei um solche Fälle handelt, in denen zwischen der mündlichen Verkündung und der Entscheidung des VwGH ein langer Zeitraum lag, in dem – warum auch immer – immer noch keine schriftliche Ausfertigung vorgelegen hat.
    Die an die Nachvollziehbarkeit einer Begründung auch bei mündlich verkündeten Entscheidungen zu stellenden Anforderungen sind auch nicht neu. Das war auch nach der vor der Einführung der Verwaltungsgerichte erster Rechtsstufe geltenden Rechtslage schon so: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vwgh/JWT_2011110046_20120124X00/JWT_2011110046_20120124X00.pdf

    Fazit: Ein Verwaltungsrichter täte gut daran, die schriftliche Ausfertigung so rasch als möglich nach der mündlichen Verkündung fertigzustellen und den Parteien zuzustellen; das aber nicht nur aus dem Grund, eine Behebung seiner (nur mündlich verkündeten) Entscheidung wegen Begründungsmangel zu vermeiden. Sondern insbesondere auch, weil er das den Verfahrensparteien schuldig ist. Ein verwaltungsgerichtliches Verfahren ist nämlich kein Selbstzweck, sondern darauf gerichtet, einen Streit zwischen den Verfahrensparteien zu beenden. Da nützt es den Parteien herzlich wenig, wenn „das Gericht eh‘ weiß, warum es so entschieden hat“.

    Der Blogbeitrag erinnert ein wenig an die (ewige) Diskussion, wonach die Verwaltungsrichter einen Protokoll- und Urteilsvermerk wünschen. Den werden sie mE aber – aus guten Gründen – nie bekommen. Die Verwaltungsgerichte sind zwar Erstgerichte, aber keine Erstinstanz. Dass aber eine Rechtsmittelinstanz ihre Entscheidung nicht begründen soll, ist für mich schlechthin undenkbar.

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