„Politische“ Richterbesetzungen werden nunmehr als klares rechtsstaatliches Problem gesehen
(Gastkommentar von Peter Hilpold, Professor für Völkerrecht und Europarecht an der Universität Innsbruck in der „Wiener Zeitung“)
Das 27. Mai-Forum des Verwaltungsrichterforums hat neuen Schwung in die Diskussionen um die Beendigung des österreichischen Postenschachers auf höchster Ebene gebracht: Wie die „Presse“ vom 9. Mai berichtete, hat der Senatspräsident am Verwaltungsgerichtshof (VwGH), Markus Thoma, auf die rezente Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu „politischen“ Richterbesetzungen verwiesen. Diese werden nunmehr als klares rechtsstaatliches Problem gesehen, da sie einem fairen Verfahren gemäß Art. 6 EMRK entgegenstehen (siehe das Urteil der Großen Kammer des EGMR vom 1. Dezember 2020, Gudmundur Andri Astradsson gegen Island, Nr. 26374/18).
Dieses Urteil könnte in Österreich enorme Probleme aufwerfen, auch in Hinblick auf die politische „Sideletter“-Vergabe höchstgerichtlicher Positionen, die in den vergangenen Monaten bekannt geworden sind. Dazu müssten Beschwerden beim EGMR eingebracht werden, wobei dieses Problem – solange die betreffenden politischen „Ad-Personam-Berufenen“ weiter im Amt bleiben – potenziell auf lange Zeit fortbestehen kann.