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Corona-Krise: Ist ein Lockdown auch für dreifach geimpfte Personen verhältnismäßig?  

Posted by Redaktion - 23. November 2021

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Zuerst ein Lockdown nur für ungeimpfte Personen, jetzt der Lockdown für alle, damit auch für Personen mit einer dritten Impfung („Geboostete“). Hier stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe neu. Ebenso die Frage nach einem effektiven Rechtsschutz.

Wiederherstellung des verfassungsgemäßen Zustandes

Bereits im Jänner 2021 veröffentlichte der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestags ein Gutachten zur Frage, ob Einschränkungen gegenüber Geimpften überhaupt zulässig sind. Die Autoren schickten darin voraus, dass nicht feststehe, „ob der neue Impfstoff auch verhindert, dass geimpfte Personen weiterhin infektiös sind“.

Sollte jedoch künftig gesichert sein, dass von geimpften Personen keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht, stelle sich die Frage der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen aber neu. Bei der Aufhebung der Maßnahmen gegenüber Geimpften handle es sich um kein „Privileg“, sondern um die „Wiederherstellung des verfassungsgemäßen Zustandes“.

Nicht mehr behelligen?

Vom nunmehr 4. Lockdown sind in Österreich auch rund 1 Million Menschen betroffen, die bereits eine dritte Impfung erhalten haben. Der „Standard“ zitierten dazu Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS), der auf Studien verweist, wonach dreifach geimpfte Personen mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit nicht schwer erkranken und auch mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit nicht infektiös ist. Offen sei, wie lange dieser Schutz der Drittimpfung anhält. Israelische Studie deckten einen Zeitraum von etwa zwei Monaten ab.

Wenn nun aber Menschen mit drei Impfungen nicht nur selbst so gut wie nicht gefährdet sind, sondern auch andere ganz selten anstecken: Lässt sich dann noch ein Lockdown für sie rechtfertigen?

„Das ist ein rechtliches Problem“, sagt der Verfassungsjurist Bußjäger im „Standard“. „Die einzige Rechtfertigung, die mir einfällt, wäre zu sagen, dass die Gruppe der Geboosteten noch relativ klein ist und ein rechtliches Sonderregime für sie keinen Sinn macht, man kann es mit Fragen der Verwaltungsvollziehung versuchen zu rechtfertigen.“ Nachsatz: „Wenn die Gefahr bei dieser Gruppe klein ist, haben sie ein Recht darauf, nicht mehr mit Beschränkungen behelligt zu werden.“ Fazit des Juristen: Aktuell sei ein Lockdown noch argumentierbar, aber schon in wenigen Wochen, wenn es immer mehr Drittgeimpfte gibt, nicht mehr.

Hier widerspricht der Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Inzwischen gibt es mehr als eine Million Menschen in Österreich mit einer Drittimpfung. „Das ist keine kleine Gruppe“, so Mayer. Die einzig relevante Frage sei, ob Drittgeimpfte tatsächlich selbst nicht erkranken und das Virus nicht weitergeben. Auch mangelnde Kontrollierbarkeit sei kein Argument für einen Lockdown bei ihnen: „Es ließe sich ja kontrollieren, zumindest stichprobenartig.“

Beschwerde beim Höchstgericht

Rechtliche Abhilfe zu bekommen wäre für Geboostete möglich, sie könnten sich mit einem Individualantrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) wenden. Dafür müssen sie nicht einmal eine Strafe kassiert haben, so Bußjäger. Der VfGH hat bereits mehrere einschränkende Maßnahmen aufgehoben. So stellt er fest, dass das Betretungsverbot für öffentliche Orte im ersten Lockdown rechtswidrig war, weil das Verbot nicht durch das Covid-19-Maßnahmengesetz gedeckt war.

Oder: Nach dem Ende des Lockdowns wurde bei der Öffnung nach der Größe von Geschäften unterschieden. Auch das war rechtswidrig. Der Gesundheitsminister hätte nachvollziehbar machen müssen, auf Basis welcher Infos er diese Regel konzipierte.

Hier zeigt sich, dass einschränkende Maßnahmen nicht unbedingt deshalb aufgehoben werden, weil Grundrechte beschränkt sind. Es reicht, wenn es eine ungenügende Begründung gibt. Wo sich diese Begründung findet? Für die Öffentlichkeit sind diese Dokumente nicht einsehbar, sagt Jurist Bußjäger. Sie werden mit der Lockdown-Verordnung ausgearbeitet und befinden sich im Akt. Hier wäre Transparenz geboten, so Bußjäger.

Hier den ganzen Beitrag im „Standard“ lesen…

Hier geht’s zum Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages …

Siehe dazu auch:  Dachverband der Verwaltungsrichter fordert weiteren Rechtsschutz gegen Grundrechtseinschränkungen …

Eine Antwort to “Corona-Krise: Ist ein Lockdown auch für dreifach geimpfte Personen verhältnismäßig?  ”

  1. Anonym said

    @Erläuterungen zu den Verordnungen: Könnte man ja mal beim zuständigen Ministerium erfragen.

    @Lockdown für alle: ist das Argument nicht viel einfacher, warum nicht unterschieden wird: der Ungeimpfte ist die Gefahr für das System am Limit, weil er schnell ICU Betten wegen Covid belegt. Der Geimpfte ist die Gefahr für das System am Limit, da er zwar nicht mit Covid, aber mit einem anderen Gebrechen ICU Betten belegen kann.

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